Hoffnung

Kunstgeschichten – Hoffnung

Diese Installation ist bei Aufräumarbeiten in meinem Garten entstanden.

Beim Ausgraben der alten Weidenpfähle musste ich daran denken, dass auch dieser Zaun vergänglich ist. Er konnte nicht ewig dazu dienen, Tiere einzupferchen und um ihnen die Freiheit zu nehmen. Auch  fand ich im Gestrüpp den alten Stacheldraht, der im Laufe der Zeit dahin rostete und keine Kraft und Macht mehr hat, Dinge zu trennen. Eines Tages wird dieser Draht nur noch Rost sein, der im Sand verschwindet und sich mit dem Boden wieder verbindet, aus dem er gekommen ist. Doch diese alten „sterbenden“ Dinge hatten Ihren Reiz und ihre Ausstrahlung.

Ich wollte sie nicht einfach entsorgen. Denn sofort hatte ich die Assoziation, dass auch Menschen immer wieder hinter solchen Pfählen und Drähten eingesperrt wurden und werden. Das Bild von KZ-Gefangenen, die hinter solchen Drähten stehen und in eine Kamera schauen, war mir gegenwärtig.  Die Beschreibungen, von „eingepfercht wie Tiere“ klang mir in den Ohren. Mir war bewusst und ganz nah, dass es in diesem Fall Tiere waren, aber genauso gut Menschen hätten sein können, die hiermit gefangen wurden.

Doch dieser Zaun hier konnte niemanden mehr Schaden zufügen. Denn wie alles in dieser Welt sind auch Gewaltherrschaften und ihre Zäune vergänglich. Dieses wollte ich künstlerisch dokumentieren und arrangierte die alten Weidenpfähle zu einer Gruppe. Den alten Stacheldraht nutze ich als zusätzlichen Impuls und fügte eine Edelstahlkugel in das Bild hinein.

Kunstgeschichten – HoffnungDiese Kugel soll die Seele der Gefangen symbolisieren. Denn auch wenn die Körper gebrochen werden, der Mensch gepeinigt wird und sein Leben ausgelöscht wird. An die Seele und oft auch an den Glauben der Menschen kommt keine Gewaltherrschaft heran. Zitate wie “wir haben immer auf eine Rettung gehofft“ sind für mich fast unglaublich in Anbetracht der Bilder des Schreckens in den KZs. Doch ich glaube es den Menschen, die dieses sagen. Und einige, natürlich viel zu wenige, haben ja auch zu recht gehofft, und wurden gerettet. Daher habe ich für die Reinheit und Unbezwingbarkeit der Seele die glänzende Kugel eingefügt.

Lebendes Kunstwerk

Diese Kugel wird jeden dieser Holzpfähle und Stahldrähte überleben. Egal wie lange dieses auch dauern wird. Und das ist für uns alle unsere Hoffnung. Diese Installation ist ein „lebendes“ Kunstwerk, denn jedes Jahr muss ich den ein oder anderen dieser Pfähle neu aufstellen oder tiefer eingraben, weil wieder ein Stück des Holzes weg gefault ist. Auch fällt mal ein Stück Draht herunter weil die Korrosion unaufhörlich weiter schreitet. So erlebe ich die zuvor beschriebe Vergänglichkeit aktiv mit.  Jahr um Jahr werden so die Posten kleiner. Doch ich stelle sie immer wieder auf, als Handlung wider das Vergessen.

Dieses Holz ist schon zu schwach, um noch Macht über Menschen zu haben, doch es soll daran erinnern was Menschen Menschen angetan haben und immer noch antun. Die Arbeit des Aufstellens der Pfähle, das Schneiden des Grases oder des Laubharkens zwischen den Pfosten, ist ein wenig wie den Menschen, die gefangen wurden, meinen Respekt zu erweisen und mich ihrer zu erinnern … ab und zu  nehme ich einen Lappen und wische über die Stahlkugel, denn die Seele ist rein und unantastbar.

STALAG

Jetzt ist das Bild von KZs geprägt durch die Berichterstattung in den Medien und auch ich denke zuerst an Bergen-Belsen, Birkenau oder Dachau. Doch Menschen waren auch direkt hier, vor meinem heutigen Zuhause, gefangen und misshandelt worden. Keine 10 km entfernt. Nach einem aktuellen Zeitungsbericht über das STALAG in Stukenbrock Senne, habe ich meine Installation umgewidmet. Wenn jetzt Besucher meine kleine Ausstellung in unserem Garten besuchen, erzähle ich nicht mehr von den weltbekannten Namen der großen KZs, sondern von dem Lager in Stukenbrock. Denn auch diese Seelen dürfen nicht vergessen werden.

Kunstgeschichten – HoffnungDa dieses Kunstwerk erst 6-7 Jahre alt ist, musste ich noch keinen der zum Teil massiven Pfähle austauschen. Doch habe ich vorsorglich 2-3 alte Pfosten schon gesammelt und zur Seite gelegt. Sollte der erste Holzpfahl ganz zerfressen sein, werde ich ihn ersetzen. Denn die Gewaltherrschaften sterben anscheinend nie aus und die Seelen der Gefangenen sollen nicht vergessen werden. Dankbar erinnere ich mich daran, dass ich in einer Zeitspanne von Frieden und Freiheit aufwachsen bin und leben durfte.